„Löschen und lesen“ – Diversität bei der Feuerwehr

Nein, ich war nie Mitglied einer Feuerwehr, allerdings hat es bei uns in der Nachbarschaft erst kürzlich gebrannt und das Rufen eines Rettungswagens ist mir aus dem engen Familien- und Bekanntenkreis auch nicht fremd. Ich bin stolz auf unsere Feuerwehren und Rettungskräfte, die oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens das Leben von Mitbürgern und deren Hab und Gut retten.

Als Vorsitzender des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag kenne ich die Situation insbesondere der Feuerwehren im Land, ihre Probleme und Herausforderungen, die Arbeitsbelastung und den dafür erforderlichen Teamgeist sehr gut. Um noch mehr über den Alltag bei der Feuerwehr zu erfahren, habe ich im vergangenen Jahr an einer kompletten Schicht bei der Paderborner Feuerwehr teilgenommen. Mit Männern und Frauen habe ich dort über ihre Sicht der Arbeitsbedingungen, die Ausstattung mit Kleidung und Gerät diskutiert – und natürlich verbesserte Bedingungen angesprochen, um mehr Frauen für diesen anspruchsvollen Beruf zu interessieren und zu gewinnen. Nicht umsonst engagiert sich Nordrhein-Westfalen als Bundesland, ebenso wie andere deutsche Länder, seit Jahren verstärkt in der Gründung von Kinderfeuerwehren oder auch im viel gelobten Projekt „FeuerwEhrensache“.

Wenn ich aber jetzt lesen muss, dass gerade an unserer Paderborner Universität die Auffassung vertreten wird, die Feuerwehr bestehe zum größten Teil aus „weißen, heterosexuellen Männern aus der Arbeiterschicht“, und dass man hier endlich mit einer ordentlichen Prise Feminismus nachhelfen will, um diese als negativ, unterschwellig sogar als etwas schmuddelig, suggerierte, vermeintliche „white trash Phalanx“ aufzubrechen und „die Feuerwehr“ auf Quote zu bringen, fasse ich mir an den Kopf.

Es ist sicher für die Gesellschaft insgesamt gut und wichtig, wenn es künftig möglichst keine frauen- oder männerdominierten Berufe mehr gibt, wie es noch vor wenigen Jahren üblich war. Hier hat ein positives Umdenken stattgefunden, das auch politisch nachhaltig unterstützt wird. Aber unter dem Deckmäntelchen von Gleichberechtigung eine Art Gleichschaltung und bestimmte Quoten zu fordern und auch noch vermeintlich wissenschaftlich korrekt durchzusetzen, geht mir persönlich viel zu weit. Man muss sich nicht lustig über die Paderborner Juniorprofessorin Ilona Horwath und ihre provokanten Thesen machen, wie es Kabarettisten und Kommentatoren in den vergangenen Tagen zu genüge getan haben. Wie wird wohl eine Feuerwehr, die bislang zum Glück und anders als viele andere Vereine oder Betriebe immer noch genügend Bewerber findet, solche externen Seitenhiebe wegstecken. Vielleicht ist es ja gerade der Wunsch nach einem eingeschworenen Team, auf das man sich im Ernstfall und im privaten Leben bedingungslos verlassen kann, auf „Einsatzpartner“, die auch auf der Grundlage gemeinsamer Einsatzerfahrung psychisch zu verarbeitende Eindrücke gemeinsam bewältigen. Nicht jeder kann Schwerverletzte oder Tote aus Unfallautos schneiden und bergen, in brennende Räume vordringen und nach vermissten Bewohnern suchen. Solche Erlebnisse schmieden zusammen, man steht füreinander ein. Dass dies auch in einer gemischten Gruppe von Männern und Frauen möglich ist, möchte ich nicht abstreiten.

Die Paderborner Feuerwehr nimmt es beispielhaft gelassen und bleibt in ihrer Stellungnahme zur provozierenden Kritik der Uni betont fair und sachlich. Und sie ist im Übrigen selbst daran interessiert, sich noch breiter mit und in der Gesellschaft zu verankern. Deshalb mein dringender Appell: Man sollte jetzt nicht mit der Genderkeule gewachsene Strukturen möglichst in Rekordzeit zerschlagen, sondern behutsam solche Bereiche öffnen, die sich bislang dem jeweils anderen Geschlecht nicht automatisch als Berufsperspektive eröffnet haben.

Zurück zum Forschungsauftrag an der Uni Paderborn. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Verein Deutscher Ingenieure/Verband der Elektrotechnik darf Professorin Ilona Horwath, Inhaberin des Lehrstuhls für Technik und Diversität, sich dem Projekt „Fortesy“ widmen. Soll heißen, neue Ansätze zur Effizienz und Sicherheit im Feuerwehrwesen suchen. Dabei geht es weniger um Ausrüstung oder Ausbildungsinhalte. Es sind eben die weißen heterosexuellen Männer aus dem Proletariat, die dieser Effizienz im Wege stehen. So jedenfalls könnte man das auf zwei Jahre befristete Projekt anhand der vor wenigen Tagen veröffentlichten Pressemitteilung interpretieren. Die bisherige Dominanz verhindere aus ihrer Sicht Integration und Effizienz. Schließlich solle „Fortesy“ auch einen gesellschaftlichen Spin-off erzeugen, also auch auf andere Organisationen ausstrahlen, beispielsweise wenn es um Gestaltungsempfehlungen bei der Migrations- und Flüchtlingsarbeit gehe. Ilona Horwath möchte Änderungen von Routinen und Arbeitsabläufen, Werte neu betrachten und schlussendlich mehr Akademiker und Akademikerinnen in die Feuerwache bringen.

Interessant ist, dass das Ergebnis der Projektforschung schon festzustehen scheint, bevor so richtig geforscht wird. Den bereits in zahlreichen Berichten erhobenen Vorwurf, die Professorin wisse wohl nicht so recht, worüber sie urteile, kann ich aber so nicht nachvollziehen. Schließlich hat sich Ilona Horwath schon 2010 in ihrer Dissertation an der Universität im österreichischen Linz auf 400 Seiten detailliert mit „Frauen und Feuerwehr“ auseinandergesetzt (Thema: „Gleichstellung im Feuerwehrwesen – Gut Wehr und die Heldinnen von heute“). Sie hatte Zugriff auf viele Daten und erhielt Unterstützung seitens der Feuerwehr. Sie weiß also sehr genau, worauf sie hinauswill und hat schon mal im Vorfeld veröffentlicht, wohin die Reise geht. Dass Prof. Birgitt Riegraf, seit dem 1. April vergangenen Jahres Präsidentin der Uni, mit in der Fortesy-Projektgruppe sitzt, macht es nicht leichter, an diesem Beispiel die aktuelle oder künftige Rolle der Universität Paderborn auszumachen. Wenn die Uni (eigenes Motto: Die Universität der Informationsgesellschaft) mehr Genderthemen an sich zieht, wird man demnächst noch über manche bislang ungeahnte Projekte und Lehrstühle stolpern. Hoffentlich nehmen es die Professorenkollegen, die weißen, heterosexuellen Männer aus der Akademikerschicht nicht übel, sondern halten kräftig dagegen. Es geht letztendlich auch um den guten Ruf der Universität Paderborn.

Bis der Diversitäts-Streit um die und mit den Feuerwehren ausgestanden ist, bleibe ich zuversichtlich, dass wie gehabt jemand schnell kommt und kompetent und entschlossen hilft oder löscht, wenn ich die 112 rufe. Wenn es pressiert, möchte ich einem quotengerechten Callcenter beim Anruf nicht  noch erst angeben müssen, wer denn nun ausrücken soll: Drücke die 1 für ein gemischtes Team, die 2 für reine Männertrupps, die 3 für den Frauenlöschzug und die 4 für alle, die zufällig gerade auf der Wache sind…

                                                                           

Foto: © Christian Müller